Lebensraumtypen

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3.1 7110* – Lebende Hochmoore

Gemäß EUROPEAN COMMISSION (2013) handelt es sich um ombrotrophe Moore, die einen bedeutenden Anteil torfbildender Vegetation beherbergen. Hochmoore, in denen temporär durch Feuer oder Klimaschwankungen aktuell keine Torfbildung stattfindet, werden inkludiert. Dies bedeutet, dass Rüllen etc., die durch natürliche Erosion entstanden sind, kein Ausschlussgrund sind. Aufgrund der Genese und der unterschiedlichen Beeinträchtigung (Klima5, Beweidung) empfiehlt es sich mehrere Subtypen zu unterscheiden. Generell sind in Österreich folgende Ausprägungen vorhanden: Latschenhochmoor, Moor-Berg-kiefern-Hochmoor, Spirkenhochmoor (Vorarlberg), Fichtenhochmoor6 und Waldkiefern-Hochmoor. Daneben gibt es weitere Sondertypen, welche nachfolgend besprochen werden.

3.1.1 Tieflagen-Hochmoore

Charakterisierung

In Österreich stellen Tieflagenhochmoore die klassischen Hochmoore dar und werden aktuell von Arten des Sphagnetum magellanici geprägt. Die Lebensraumcharakterisierung kann im We-sentlichen der ARGE Basiserhebung (2012a) folgen. Zu betonen ist, dass Hochmoore, die von Pinus mugo s. l., P. sylvestris oder Picea abies bestanden sind, nur dann zum LRT 7110 zu stellen sind, wenn sie in einem großen Teil der Hochmoorweite eine torfbildende Vegetation tragen („Wachstumskomplex7“). Gehölze können zwar das Hochwachsen der Torfmoose begünstigen und je nach Gehölzart den Charakter des Moortyps prägen, aber das entscheidende Strukturmerkmal sind die torfbildenden Arten (Torfmoose!) und nicht die Gehölze, die für die Charakterisierung nur eine Nebenrolle spielen und bestenfalls ein indirekter Indikator sind. Gehölze und Zwergsträucher sind für die verstärkte Bultbildung in entwässerten Mooren mitverantwortlich, da an ihnen die bultbildenden Arten hinaufwachsen können.

Hintergrund

Im Rahmen der ARGE Basiserhebung (2012a) wurden jene Hochmoore zum LRT 7110 gestellt, die zumindest im Kernbereich eine potenziell torfbildende Vegetation beherbergen. Dabei ist zu beachten, dass in Mitteleuropa keineswegs alle Torfmoosarten am Aufbau des Hochmoortorfes beteiligt waren. Sphagnum magellanicum kann in unseren Breiten als Haupttorfbildner für Hochmoortorf bezeichnet werden. Der Wachstumskomplex wird abseits der kontinentalen Ge-biete (vgl. Abb. 7) kaum von richtigen bultbildenden Arten geprägt und auch Torfe von Schlenkenarten sind eher die Ausnahme. Typischer Torfbildner neben Sphagnum magellanicum ist vor allem Sphagnum rubellum. Aber auch Sphagnum papillosum ist eine charakteristische Art eines Wachstumskomplexes, eingestreut sind Sphagnum cuspidatum, S. majus und Sphagnum tenellum. S. angustifolium ist ebenfalls eine weit verbreitete Art in naturnahen Hochmooren, ist aber in der heutigen Abundanz bereits als Störungszeiger zu betrachten. Unter den Bult-Arten sind Sphagnum capillifolium und S. fuscum vertreten. Letztere ist in den Tieflagen vergleichs-weise selten und S. capillifolium ist hier abseits kontinentaler bzw. obermontaner Gebiete eindeutig ein Störungszeiger, der vom Randwald kommend im Zuge der Sukzession in das Moor-zentrum vordringt. Hochmoorschlenken können demnach in Abhängigkeit der geografischen Lage auch bereits als Indiz einer Störung bzw. als Hinweis für Stillstandskomplexe betrachtet werden. Sie werden zweifelsfrei durch Erosion gefördert und dürften trotz der hohen Nieder-schläge beim Aufbau der Hochmoore in Relation zu den Teppichhorizonten eine vergleichsweise geringe Rolle gehabt haben. Dennoch sind die Schlenken bei geschlossener Torfmoosdecke ein Teil des Wachstumskomplexes.

Problemstellung

  • Wachsende Hochmoore stellen heute die absolute Ausnahme dar, so dass bei korrekter Auslegung der LRT-Definition nur vergleichsweise wenige Moore in Österreich beim LRT 7110 einzuordnen sind. Dass der LRT 7110 in einer natürlichen Ausprägung ausgespro-chen selten ist, ist ein Faktum. Um langfristig einen effektiven Schutz dieses prioritären LRT im N2000-Netzwerk möglich zu machen, ist zu verhindern, dass durch unsachge-mäße Zuweisungen der Fokus von den Lebenden Hochmooren weggelenkt wird.
  • Das bewaldete Randgehänge eines Hochmoores wird meistens als getrennter LRT Moor-wälder (91D0) geführt. Aus fachlicher Sicht sollte er zumindest dann beim LRT 7110 ein-geschlossen werden, wenn er sehr schmal ist und durch Randeffekte geprägt wird. Dich-teste Latschenbestände im Bereich des Randgehänges sollten auch beim LRT 7110 bzw. 7120 inkludiert werden, da diese Biozönosen kaum etwas mit dem LRT 91D0 gemein haben. Besonders wenn ein Lagg erhalten ist, sollte das gesamte Moor dem LRT 7110 bzw. 7120 zugeordnet werden, da der wichtige Lagg kaum beim LRT 91D0 angeschlos-sen werden kann.
  • Ein weiteres Problem ist der bisherige Einschluss der Deckenmoore (vgl. 3.4.1), die einen eigenen LRT darstellen (LRT 7130). Dies hat auch zur Folge, dass die Artikel-17-Daten-bank und die Standarddatenbögen zum Teil korrigiert werden müssen.
  • Torfstiche sollten derzeit nicht dem LRT 7110 zugeordnet werden (vgl. 2.4!) bzw. nur, wenn der Anteil der Torfstiche in Summe minimal ist (<1%).
  • Die charakteristische Hochmoorvegetation ist auf die Hochmoorweite beschränkt. Ab-seits davon, in der Kampfzone zwischen Randwald und Hochmoor bzw. zwischen Hoch-moor und Umfeld, weicht die Vegetation stark ab und wird mehr oder weniger beein-flusst. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll zu sein, für den LRT 7110 bzw. für Hoch-moore im Allgemeinen eine Mindestgröße zu definieren. Im Zuge der ARGE BASISERHE-BUNG (2012a) wurde eine Mindestflächengröße von 2.500 m2 definiert. Wenn Hoch-moore den zur Verfügung stehenden Raum vollständig ausfüllen, kann man auch klei-nere Moore dem LRT 7110 zuordnen.

3.1.2 Hochlagen-Hochmoore

Charakterisierung

Hochmoortorfe in hochmontaner bis subalpiner Lage sind heute nicht mehr von der entspre-chenden Vegetation bestanden. Die Grenze des Hochmoorwachstums hat sich seit dem Ende des Atlantikums deutlich nach unten verschoben. Allerdings wurde dieser natürliche Vorgang durch die Beweidung überlagert, wodurch in den höher gelegenen Hochmooren oft Stillstands-komplexe entstanden sind. Dieser Prozess wird durch die anhaltende massive Überbeweidung weiterhin verstärkt, so dass es heute zum Torfabtrag, also zur Erosion kommt.

Die Torfmoosdeckung geht gegenüber den Tieflagen-Hochmooren deutlich zurück und es kommt zur Dominanz widerstandsfähiger Grasarten. Besonders das trittresistente Trichophorum cespitosum prägt bekanntlich diese Bestände. Gemeinsam mit den Moosen Gymnocolea inflata und Sphagnum compactum charakterisiert es die Trichophoreten. Diese signifikante Standortveränderung wird durch die unterschiedlichen Wuchsformen von Trichophorum cespitosum (vgl. Abb. 9) verstärkt. In wachsenden Hochmooren muss diese Art mit den Torfmoosen Schritt halten, was sich in einer lockeren Wuchsform widerspiegelt. In entwässerten Mooren und Stillstandskomplexen sind die Teile der Sympodien von Trichophorum cespitosum sehr kurz, was zu einer dichten, konkurrenzkräftigen Wuchsform führt.

Die feuchten Pionierstadien werden oft von Carex echinata dominiert. Zwischen den Torfmoosbulten tritt immer öfter der nackte Torf zu Tage, wo sich zahlreiche Störungszeiger einstellen (vgl. 6.3). Sphagnum rubellum tritt höhenbedingt massiv zurück, aber auch Sphagnum magella-nicum bildet viel kleinere Vorkommen als in den Tieflagen. Diese Arten sind zusätzlich sehr empfindlich gegenüber Beweidung, wodurch insgesamt die Bult-Vegetation einen deutlich höheren Anteil einnimmt und die für die Wachstumskomplexe charakteristischen rasig wachsenden Torfmoosarten durch Sphagnum capillifolium und S. fuscum verdrängt werden. Durch die Mineralisation, die höheren Niederschläge und den Eintrag von Staub kommt es auch zu besserer Nährstoffverfügbarkeit, was ebenfalls einen gewissen Einfluss auf die Artengarnitur hat. Ergänzend wird angemerkt, dass ein gewisser Teil dieser Moore nach aktuellem Wissenstand den Deckenmooren zuzuordnen ist (vgl. 3.4.1).

Hintergrund

Mit zunehmender Seehöhe steigen nicht nur die Niederschlagsmengen, sondern auch die Wind-geschwindigkeit nimmt zu und die Durchschnittstemperatur sinkt. Die starken Niederschläge fördern die durch die Beweidung indizierte Erosion, was auch durch Frostereignisse verstärkt wird. Das Moorwachstum kommt dadurch nicht nur zum Stillstand, sondern es entstehen Erosi-onskomplexe, in denen der Torf abgetragen bzw. ausgewaschen wird. Hinzu kommt die kürzere Vegetationszeit. In Summe spiegelt sich das in einem deutlichen Wandel der Vegetation.

Problemstellung

  • Durch Beweidung kommt es zur Beeinträchtigung der Speicherwirkung, da das Akrotelm zerstört wird und somit die vertikale hydraulische Leitfähigkeit reduziert wird. In Folge kommt es zu einem verstärkten Oberflächenabfluss und letztlich zum Torfabtrag. Dane-ben entstehen Bereiche mit Stauwasser. Wie sind diese Moore einzuordnen, die grund-sätzlich nicht bis kaum entwässert sind, aber die torfbildende Vegetation dennoch weit-gehend verschwunden ist? Auslöser dürfte mehrheitlich die Beweidung sein. Ökologisch betrachtet muss man diese Moore als LRT 7120 erfassen, da man in den Tieflagen ebenso vorgeht und die Schäden im Extremfall möglicherweise irreversibel sind.
  • Der Nachweis der Ombrotrophie ist deutlich schwieriger als in den Tieflagen, da die Kenntnis betreffend der Mineralbodenwasserzeiger aufgrund der veränderten Nähr-stoffsituation in den höheren Lagen sehr gering ist. Auch wenn hierzu exakte wissen-schaftliche Untersuchungen fehlen, spricht die einheitliche Verteilung oder das einheit-liche Fehlen vieler der in 6.2 als Mineralbodenwasserzeiger genannten Arten dennoch für die klare Trennung zwischen den Hoch- und Übergangsmooren in den höheren La-gen. Zu beachten ist jedoch, dass Arten mit tiefreichenden Rhizomen in den Hochlagen eine reduzierte Aussagekraft haben.

3.1.3 Kondenswassermoore

Charakterisierung

Dieser Biotoptyp unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den anderen Moortypen. Einerseits erfolgt die Torfbildung nicht unter Luftabschluss, sondern aufgrund extremer klimatischer Bedingungen, die für eine verzögerte Zersetzung der Pflanzenreste sorgen. Der Torf wird in der Regel auch nicht einheitlich gebildet, sondern eher punktuell. Kondenswassermoore haben keinen biotopeigenen Wasserstand und weisen auch kein Katotelm auf. Die Vegetationszusam-mensetzung ist mit Ausnahme einiger Hochmoorarten gänzlich anders und nähert sich nur in ausgesprochenen Extremfällen der Hochmoorvegetation bzw. eher den Moorwäldern an. Da Felsen und Gesteinsreste zu Tage treten findet sich eine Vielzahl moorfremder Arten. Eine ge-wisse Parallelität existiert am ehesten zu den Torfhügelmooren.

Hintergrund

Gemäß DAVIES et al. (2004, p. 42) werden die Kondenswassermoore zu den Hochmooren gezählt, im Interpretation Manual (EUROPEAN COMMISSION 2013) werden sie hingegen nicht erwähnt. In Österreich ordnen ELLMAUER et al. (2005) und TRAXLER et al. (2005) die Kondenswassermoore dem LRT 7110 bzw. dem Biotoptyp „Lebendes Hochmoor“ zu.

Problemstellung

  • Es sollte diskutiert werden, ob dieser äußerst bemerkenswerte Biotoptyp fachlich dem LRT 7110 zuzuschreiben ist, was aus ökologischer Sicht fragwürdig scheint. Dieser Biotoptyp ist jedoch eine Besonderheit und auch durch außerhalb (hangaufwärts) erfolgende Eingriffe, wie etwa durch den Bau von Forststraßen, keineswegs ungefährdet.
  • Im Falle einer Zuordnung zum LRT 7110 ist eine enge inhaltliche Definition unumgänglich, da Torfmoosvorkommen in Blockhalden keine Seltenheit sind und demzufolge eine exakte Abgrenzung zwingend notwendig ist. Zusätzlich muss auch eine vom LRT 7110 abweichende Bewertung erfolgen, da die entsprechenden Bewertungsparameter bei den Kondenswassermooren keine Gültigkeit haben bzw. nicht greifen.

3.2 7120 – Noch renaturierungsfähige Hochmoore

Charakterisierung

Diesem LRT werden Hochmoore zugeordnet, in deren Struktur und Funktion eingegriffen worden ist, in denen das Torfwachstum (durch den Rückgang der Torfmoose) zum Erliegen gekommen ist (Stillstandskomplexe) bzw. bereits (mechanischer) Torfschwund (Erosionskomplexe) beobachtet werden kann. Entscheidend ist dabei, die Trägheit des Systems und die verzögerte Reaktion auf hydrologische Beeinträchtigungen zu erfassen (z. B. junge Drainagegräben). Entweder es handelt sich um degenerierte Hochmoore, um sekundäre Moorwälder oder um Torfabbaufolgelandschaften. Ausgenommen sind in der Regel blanke Frästorfflächen und landwirtschaftlich genutzte Flächen.